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PATENTE | ||||||||||||
IPTAB bestätigt zum ersten Mal Erfindungshöhe einer quantitativ besseren Auswahlerfindung | ||||||||||||
Sang-Young LEE, John J. KIM, Yunki LEE | ||||||||||||
Im März 2015 wurde in Korea das neue Linkagesystem zwischen Arzneimittelpatent und behördlicher Zulassung (ähnlich dem Hatch-Waxman-System in den USA) vollständig umgesetzt. In der Folge reichten Generikafirmen zahlreiche Verfahren (z.B. Patentnichtigkeits- und Schutzumfangsbestätigungsverfahren) beim IPTAB (Intellectual Property Trial and Appeal Board, eine Spruch- und Beschwerdekammer für Geistiges Eigentum) ein, um den neunmonatigen Marktexklusivitätszeitraum auszunutzen, der Generikafirmen gewährt wird, welche in einer sog. „Green List“ gelistete Arzneimittel-Patente erfolgreich angreifen. Die meisten von den Generikafirmen eingeleiteten Verfahren richten sich gegen Sekundärpatente oder gegen Patente, die auf Erfindungen für spezielle Offenbarungen gerichtet sind (häufig in Korea als Auswahlerfindungen bezeichnet). In Korea gelten für Auswahlerfindungen (d.h. eine Erfindung auf ein spezielles Beispiel gegenüber einem eine generische Offenbarung enthaltenden Stand der Technik) sehr strenge Patentierungsvoraussetzungen. Insbesondere muss eine Auswahlerfindung gegenüber der allgemeinen Lehre des Standes der Technik entweder eine qualitativ andere Wirkung oder eine quantitativ bessere Wirkung vorsehen. Überdies müssen solche Wirkungen in der Beschreibung erläutert sein. Aufgrund dieser strengen Patentierungsvoraussetzungen wurden nahezu alle Patente auf Auswahlerfindungen, die in Korea angegriffen wurden, für nichtig erklärt. Allerdings hat jüngst ein Patent auf eine Auswahlerfindung den Angriff auf die Rechtsbeständigkeit überstanden. Shire-NPS erlangte ein Patent auf ein Arzneimittel, das den Nebenschilddrüsenhormonspiegel für die Behandlung von sekundärem Hyperparathyreoidismus kontrolliert. Das Patent wurde an Kyowa Hakko Kirin lizensiert und das patentierte Arzneimittel Regpara® (pharmazeutischer Wirkstoff: Cinacalcet) wurde seit 2011 in Korea vertrieben. Vier lokale Generika-Arzneimittelfirmen strebten im März 2015 die Nichtigerklärung des Stoffpatents auf das Regpara®-Produkt an. Trotz dieser Angriffe bestätigte das IPTAB jedoch den Rechtsbestand des Patents.1 Das Patent von Shire-NPS betrifft eine einzelne chemische Verbindung, Cinacalcet. Die zitierten Stand-der-Technik-Entgegenhaltungen offenbarten ein allgemeines Konzept in Form einer allgemeinen chemischen Formel, welche Cinacalcet umfasste, zusammen mit einer enorm großen Anzahl an Verbindungen (ohne ausdrückliche Offenbarung von Cinacalcet). Eine zweite Entgegenhaltung offenbarte eine weitere allgemeine chemische Formel innerhalb des allgemeinen Konzeptes der ersten Entgegenhaltung, die jedoch auch kein Cinacalcet umfasste. Da beide Entgegenhaltungen ähnliche Wirkungen beschrieben (z.B. die Behandlung von sekundärem Hyperparathyreoidismus durch Regulierung der Kalziumrezeptor-Aktivität in Nebenschilddrüsenzellen), wurde die Patentierbarkeit ausgehend von der Frage beurteilt, ob die Wirkung der beanspruchten Erfindung quantitativ besser ist. Vor dem Patent von Shire-NPS wurde nur in einigen wenigen Fällen die Patentierbarkeit von Auswahlerfindungen bestätigt, und diese Fälle basierten eher auf qualitativ anderen Wirkungen im Gegensatz zu quantitativ besseren Wirkungen. Überdies gab es keinen eindeutigen Maßstab dafür, wie quantitativ bessere Wirkungen zu beurteilen sind. Das Patent von Shire-NPS ist das erste Patent, das von dem IPTAB speziell auf der Grundlage von quantitativ besseren Wirkungen als erfinderisch angesehen wurde. Die Beschreibung des Shire-NPS-Patents erläuterte, dass Cinacalcet eine etwa 1,9 Mal höhere Aktivität bei niedrigeren Konzentrationen aufweist als der vielversprechendste Stoff, der zum Anmeldezeitpunkt in dem die allgemeine Lehre offenbarenden Stand der Technik beschrieben wurde. Die Generikafirmen versuchten entgegenzuhalten, dass ein weiterer, ein spezielles Beispiel betreffender Stand-der-Technik-Stoff innerhalb der gleichen allgemeinen Lehre (welcher aber nicht ausdrücklich in der Stand-der-Technik-Entgegenhaltung beschrieben wurde) ähnliche Wirkungen wie der Stoff des Shire-NPS-Patents aufweise. Allerdings befand das IPTAB, dass der weitere, spezielle Stoff (obwohl er unter die gleiche allgemeine Lehre fällt) nicht als Vergleichspunkt für die besseren Wirkungen der Auswahlerfindung verwendet werden könne, weil nur Stoffe, die in der die allgemeine Lehre offenbarenden Entgegenhaltung ausdrücklich identifiziert sind, derart verwendet werden könnten. Da der Cinacalcet-Stoff besser als jeder Stoff sei, der in der die allgemeine Lehre betreffenden Stand-der-Technik-Entgegenhaltung offenbart wird, entschied somit das IPTAB, dass dies die Feststellung der Patentierbarkeit rechtfertige. Die IPTAB-Entscheidung ist beachtenswert, da in dieser festgestellt wurde, dass a) eine 1,9 Mal höhere Aktivität eine erheblich bessere Wirkung sei, und b) der Vergleichsstoff auf jene Stoffe beschränkt sei, die ausdrücklich in der die allgemeine Lehre betreffenden Stand-der-Technik-Entgegenhaltung identifiziert sind. Dieser Fall ist ein erster Schritt hin zu bestimmten Maßstäben zur objektiven Beurteilung der Erfindungshöhe bei Auswahlerfindungen auf der Grundlage von quantitativ besseren Wirkungen. Aufgrund des zu Gunsten des Patentinhabers ausgefallenen IPTAB-Ergebnisses nahmen die Generikafirmen freiwillig ihre Preisfestsetzungsanträge zurück. Ohne die freiwillige Zurücknahme wäre der Preis des Originalarzneimittels erheblich herabgesetzt worden (z.B. um 30% ungeachtet davon, ob die Generikafirmen am im Preisfestsetzungsantrag angegebenen Eintrittsdatum tatsächlich in den Markt eintreten). Dies ist der erste Fall in Korea seit Einführung des neuen Linkagesystems zwischen Patent und behördlicher Zulassung, in dem der Originalhersteller erfolgreich die Herabsetzung des Originalarzneimittelspreises verhindert hat, selbst nachdem Generikafirmen Preisfestsetzungsanträge für Generika eingereicht haben. Allerdings bleibt weiterhin unklar, ob der Originalpreis reduziert werden würde, falls eine Generikafirma den Preisfestsetzungsantrag nicht zurücknimmt, obwohl sie in einem zugehörigen Verletzungsverfahren oder positiven Schutzumfangsbestätigungsverfahren verloren hat. |
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