KIM&CHANG
IP-Newsletter | Herbst/Winter 2015
PATENTE
Patentgericht: Erfinderische Tätigkeit erfordert die Berücksichtigung der durch das Patent gelösten Aufgabe
Duck-Soon CHANG, Yoon-Ki KIM, Peter K. PAIK
Koreanische Gerichte haben bei der Überprüfung der Patentfähigkeit und Rechtsbeständigkeit in Patentfällen üblicherweise der speziellen technischen Aufgabe, welche das Streitpatent lösen soll, keine große Aufmerksamkeit geschenkt. Aber diese Tendenz könnte sich zugunsten von Patentinhabern ändern.

Diese neue Tendenz wurde in einer Entscheidung des Patentgerichts1 vom 28. Januar 2014 (die später rechtskräftig wurde2) verfestigt. Dieser Fall hat einige Klarheit in diesem unklaren Gebiet des koreanischen Patentrechts gebracht und verdient weitere Aufmerksamkeit, insbesondere angesichts jüngst veröffentlichter Anmerkungen des für diesen Fall zuständigen Richters in Bezug auf den Beratungsprozess und die Streitpunkte, welche die Kammer als besonders relevant erachtete.

Das Streitpatent war auf die spezifische Gestaltung und Dimension eines Ritzrades gerichtet, ein hochwertiges Präzisionsinstrument zum Ritzen oder Schneiden von spröden Paneelen oder Substraten (z.B. Glassubstrate für LCD-Paneele). Die spezifische Gestaltung des Schneidrandes eines Ritzrades (insbesondere der Abstand und die Dimensionen der Kerben entlang des Randes) kann den gewünschten Schneidgrad, die Durchdringungstiefe und die Ausbeute der Substratpaneele, die geritzt werden, beeinflussen.

Bei dem Vergleich der zwei Entgegenhaltungen, die sich alle auf Ritzräder und deren Gestaltungsoptionen bezogen (und somit das gleiche technische Gebiet betrafen), mit der beanspruchten Erfindung überprüfte das Patentgericht besonders die erfinderische Tätigkeit angesichts der genauen technischen Aufgabe, die die Erfindung lösen sollte. Das Gericht untersuchte dann, ob die gleiche technische Aufgabe bereits im Stand der Technik offenbart, vorgeschlagen oder inhärent war.

Um diese letzte Frage zu beantworten, hat interessanterweise das Gericht den Patentanmelder aufgefordert, eine Patentlandkarte (patent map) oder ein graphisches Modell der Bereiche, in denen Firmen in dem relevanten Gebiet Patente angemeldet haben, einzureichen, was einem ermöglicht, die Beziehungen zwischen einem bestimmten Patent oder einer Technologie und vorherigen Patenten in dem gleichen Gebiet oder der gleichen Branche schnell zu visualisieren. Mittels der Patentlandkarte war das Gericht besser imstande, die Entwicklung und Kommerzialisierung der beanspruchten Technologie in Bezug auf den Fachmann in dem Gebiet zum Anmeldetag zu verstehen.

Letztendlich hob das Patentgericht die vorinstanzliche Entscheidung durch das IP-Tribunal auf und war der Meinung, dass das Patent zum Anmeldetag auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, wenn es im Kontext der zu lösenden, besonderen technischen Aufgabe betrachtet wird. Das Patentgericht stellte fest, dass keine der Entgegenhaltungen im Stand der Technik offenbare oder anderweitig vorschlage, die in dem Patent eingesetzten Gestaltungsoptionen als mögliche Lösung der von dem Patent behandelten, besonderen technischen Aufgabe zu berücksichtigen, insbesondere die Unterdrückung der hohen Durchlässigkeit, wobei der Grad der Griffigkeit3 des Ritzrades verbessert wird.

Jenseits der Tatsachen dieses speziellen Falles liegt die Bedeutung dieser Entscheidung des Patentgerichts darin, dass klar festgestellt wurde, dass die Patentfähigkeit einer Erfindung nicht losgelöst von der speziellen technischen Aufgabe, welche sie zu lösen vorsieht, geprüft werden kann. Vor dieser Entscheidung unterließen es koreanische Gerichte häufig, überhaupt die technische Aufgabe zu berücksichtigen, oder maßen ihr wenig Bedeutung bei. Stattdessen konzentrierten sie sich darauf, die technische Struktur des in Frage stehenden Patents und die technische Struktur im Stand der Technik zu vergleichen, soweit sie zum gleichen technischen Gebiet gehörten. Doch die Entscheidung des Patentgerichts befand ausdrücklich eine besondere technische Aufgabe in der beanspruchten Erfindung als einen starken Indikator für erfinderische Tätigkeit.

Die Feststellung des Patentgerichtes sollte dazu führen, dass mehr Gerichte in Korea die besonderen technischen Aufgaben, die von bestimmten Patenten behandelt werden, berücksichtigen, was wiederum zu einer großzügigeren Bejahung der Patentrechtsbeständigkeit führen sollte. In der Tat fordern mehr und mehr Gerichte in Patentfällen die Parteien auf, eine Patentlandkarte oder andere Patent-Mapping-Analysen einzureichen, um den Zusammenhang, in welchem bestimmte Erfindungen entwickelt wurden, besser zu verstehen.
 
1 Das koreanische Patentgericht ist ein Beschwerdegericht mit ausschließlicher Zuständigkeit zur Überprüfung aller Beschwerden gegen Entscheidungen des koreanischen Amts für Geistiges Eigentum.
2 Der Fall begann als eine Beschwerde gegen eine endgültige Zurückweisung, die zuvor durch das IP-Tribunal bestätigt wurde.
3 Dies betrifft das Greifen der Substratpaneele, die ohne Schlupf des Ritzrades geritzt werden sollen.
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